Abfahren auf intelligente Taxis

Ob Wien, Paris, Berlin, Amsterdam oder Athen: Taxi­-Zentralen in 110 Städten fahren auf Vermittlungssoftware von Austrosoft ab. Wie aus einem Fachverlag für Steuern ein europäischer Marktführer wurde. VON ARNE JOHANNSEN

Ihr Fahrzeug kommt in vier Minuten.“ Nicht einmal 20 Sekunden liegen zwi­schen dem Anruf in der Vermitt­lunggszentrale von Taxi 40100 und 60160 in der Pfarrgasse in Wien-Inzersdorf und dieser Auskunft. Denn schon beim Anruf zeigt das System der Dame in der Vermittlung an, welche Taxis sich in der Nähe des Anrufers befinden und wie lange diese für die Anfahrt brau­chen. Bei Hansafunk in Hamburg ist man schon eine Fahrzeuglänge weiter: Dort kommt die Ansage vom Kollegen Compu­ter. Zwei von drei Fahrten werden dort vollautomatisch vermittelt.

Ob Wien, Hamburg, Berlin, Paris, Athen, Amsterdam oder Zürich – die Software hinter der Taxi-Vermittlung in diesen Städten kommt aus Österreich. Die Wiener Soft­ware-Schmiede Austrosoft und ihre Grazer Hardware-Tochter fms haben sich in den vergangenen Jahren zum europäischen Marktführer für Fahrdienstvermittlungen gemausert und dabei Konkurrenten wie Motorola aus dem Weg geräumt.

Next Stop Istanbul. Insgesamt 110 euro­päische Städte, zwölf Länder, rund 62.000 Taxis, 180 Millionen vermittelte Aufträge jährlich – das sind die kühlen Zahlen hinter dem Austrosoft-Erfolg. Und der ist noch nicht zu Ende. Das Unternehmen ist auf Anfahrt in Richtung Millionen-Metropole Istanbul. ,,Aktuell haben wir dort einen Testbetrieb mit mehreren Hundert Taxis“, sagt Firmengründer und Eigentümer Mi­chael Weiss. Die Perspektive ist verlockend: Insgesamt sind aufistanbuls Straßen 15.000 Taxis unterwegs oder stehen im Stau.

„Die dramatische Verkehrssituation in Istanbul ist auch für uns eine Herausforde­rung“, sagt Weiss, der dort selber schon Stunden stauend in Taxis verbracht hat. Denn das Austrosoft-System ermittelt nicht nur das räumlich nächste Taxi, sondern auch den schnellsten Anfahrtsweg unter Einbeziehung von Ampeln, Einbahnstra­ßen und aktuellen Baustellen. Weitere Be­sonderheit: Istanbul wächst so schnell, dass viele Straßen keine Namen haben. ,,Des­halb geben wir an den Fahrer keine Adressen weiter, weil die nicht zu finden sind, sondern die GPS-Daten“, sagt Weiss.
Kunde Martin Hartmann, Geschäftsfüh­rer von Taxi 40100 und mit 2000 ange­schlossenen Fahrzeugen die größte Ver­mittlungszentrale Österreichs, schwärmt von der Austro-Software: .,Diese Flexibili­tät bietet kein anderes System.“

Wien, Berlin, Zukunft – Michael Weiss (l.) und Robert Abel vor einem Wien-Gemälde. Plakat im Berliner Hauptbahnhof für mobiles Bezahlen und Taxi-Displays im Testlabor.

Begonnen hat der Aufstieg zum euro­päischen Marktführer eher zufällig. Der 19-jährige Michael Weiss wollte Anfang der 80er-Jahre den Steuer-Fachverlag seiner Eltern von Karteikarten auf moderne EDV umstellen. Bei einem Fortbildungskurs fällt ihm ein besonders cleverer Kollege auf. Weiss heuert ihn für den Verlag an. Da der neue Kollege auch für eine Taxi-Firma programmiert, entsteht ein erster Kontakt zur Branche, in der damals noch rauschender und krächzender Sprechfunk herrscht.

Start mit Standleitung. Der junge Weiss erkennt das Potenzial und gründet 1982 dje Austrosoft Weiss Datenverarbeitung. Erstes Projekt: ein Direktwahlsystem für Stammkunden, vor allem Hotels, die da­durch per Knopfdruck zur Taxivermittlung kommen. Vier Jahre später entwickelt Weiss gemeinsam mit dem Wiener Taxiun­ternehmen 60160 den ersten Datenfunk und baut das erste Display in ein Taxi ein – ein Novum am Markt. Mittlerweile be­schäftigen Austrosoft und fms 55 Mitarbei­ter, davon zwei Drittel Programmierer, und setzen mit Lizenzen und Hardware zehn bis zwölf Millionen Euro jährlich um. Über das System kann fakturiert werden, es rech­net bestimmte Fahrten sogar selbstständig mit Krankenkassen ab. Auch die Bezahlung per App ist möglich, wofür vom Partner PayPal in Berlin gerade mjt großflächigen Plakaten geworben wird. Weiss: ,,Ein abso­lutes Zukunftsthema.“

Das neueste Projekt heißt taxi.eu. „Dahinter verbirgt sich eine App, über die in 100 Städten ein Taxi bestellt werden kann”, sagt Marketing-Leiter Robert Abel: ,,Dort, wo kein an unser System angeschlos­senes Fahrzeug verfügbar ist, zeigt die App die Telefonummer der örtlichen Taxizen­trale an.“ Service ist eben alles.

Choose the number 1 in Europe